Gewaltloser Widerstand

In diesem Abschnitt soll es um Möglickeiten zum gewaltlosen Widerstand gehen.

Ein Video zu praktischen Erfahrungen mit politischem Aktivismus

https://www.youtube.com/watch?v=JdUAItlVhKM

Das Buch "Protest! wie man den Mächtigen das Fürchten lehrt" von Srdja Popovic

Der Autor Srdja Popovic war Teil der Widerstandsbewegung Otpor! die in den 2000ern den serbischen Diktator Milosevic gestürzt haben. Heute schreibt er Bücher, hält Vorträge und schult junge Menschen, die sich ebenfalls gegen Autokratien wehren wollen. Das folgende ist eine persönliche Zusammenfassung seines Buches „Protest! Wie man den Mächtigen das Fürchten lehrt“ und fasst die für mich wichtigsten Punkte für gewaltfreien Widerstand zusammen. Für detailliertere Informationen empfehle ich das Buch zu lesen.

1. Einführung: Die Macht des gewaltfreien Widerstands

  • Gewaltfreier Protest ist effektiver als bewaffneter Widerstand. Das Buch „Why Civil Resistance works“, von Erica Chenoweth und Maria Stephan schlüsselt auf, das gewaltloser Widerstand doppelt so erfolgreich ist wie eine bewaffnete Revolution. Bewaffnete Aufstände haben eine Erfolgschange von 26%, friedliche eine von 53%. Gewaltlosen Protesten schließen sich deutlich mehr Menschen an. Langfristig sind Länder mit gewaltlosen Revolutionen länger demokratisch. 5 Jahre nach eines Machtwechsels sind 40% der Länder mit gewaltlosen Umstürzen noch demokratisch, bei bewaffneten sind es noch 5%. In Ländern mit gewaltlosem Widerstand vielen 28% innerhalb von 10 Jahren zurück in einen Bürgerkrieg, bei bewaffneten waren es 43%.

  • Diktatoren fürchten Spott und Lächerlichkeit mehr als Gewalt. Denn dieses geben keine Rechtfertigung um mit Repressionen auf die Proteste zu reagieren. Bei bewaffnetem Widerstand ist es leicht, den Einsatz von Gewalt auch vor dem Rest der Welt zu rechtfertigen.

  • Veränderungen entstehen durch strategische Planung, nicht durch spontane Wut. Diese mündet sonst oft in Gewalt und Zerstörung, was es wiederum erschwert den Großteil der Bevölkerung auf seine Seite zu ziehen.

  • Gewalt nutzt nur den körperlich stärkeren Aktivisten. Alle anderen werden von den Protesten ausgeschlossen wenn sie körperlich nicht in der Lage sind zu kämpfen. Das verkleinert die Protestbewegung enorm.

  • Das Regime hat das Machtmonopol, wie das Militär und die Polizei, auf seiner Seite. Eine gewaltsame Revolution wäre also nur unter immensen zivilen Verlusten möglich. Das gilt es zu vermeiden.

2. Die richtige Strategie entwickeln

  • Jede Bewegung braucht ein klares Ziel („Was genau wollen wir verändern?“). Es ist von entscheidender Wichtigkeit sich klare Slogans und Forderungen zu überlegen, die leicht und verständlich vormuliert werden können, und mit denen sich die Mehrheit identifizieren kann. Zu nieschige Ziele und Forderungen begünstigen Spaltung.

  • Kleine, erreichbare Etappenziele setzen. Schritt für Schritt vorgehen. Kleine Abschnitte sind einfacher plan- und umsetzbar.

  • Analyse der Machtstruktur: Wer unterstützt das Regime? Wo sind Schwachstellen? Hierbei sind die Säulen der Macht an denen man rütteln muss:

    • Das Gewaltmonopol (Militär und Polizei, schützen das Regime, können durch Überzeugungsarbeit beeinflusst werden)

    • Die Bürokratie (Hält das alltägliche Leben im System am Laufen, kann durch Überlastung oder Schlupflöcher in Gesetzen beeinflusst werden)

    • Die Wirtschaft (Vertreten durch die Wohlhabenden, geben dem System monetäre Mittel zum handeln, kann durch Streiks und Boykott destabilisiert werden)

    • Die Medien (Werden oft durch Verbreitung von Missinformation zur Kontrolle genutzt, können durch alternative Medien und freien Journalismus beeinflusst werden)

    • Religiöse/Kulturelle Institutionen (Legitimieren oft das Regime als „von Gott gegeben/gewollt“, haben großen Einfluss auf Bevölkerung, kann von innen heraus durch Umdenken beeinflusst werden)

    • Die Bevölkerung (Stellt den Großteil der Menschen eines Landes, ohne die breite Unterstützung aus der Bevölkerung hat eine Bewegung keine Zukunft)

3. Die Kraft der Symbolik und Kultur

  • Symbole (z. B. erhobene Faust von Otpor) verstärken Identität und Zusammenhalt. Einfach halten, so das sie von jedem genutzt und reproduziert werden können. Egal ob als Flagge, Aufkleber oder Grafitti.

  • Popkultur nutzen: Musik, Kunst, Theater als Protestmittel. Je kreativer und aufsehenerregender desto besser.

  • Humor als Waffe gegen Autoritäten: Sie entzieht ihnen Respekt und Angst. Angst ist seit jeher ein wichtiges Mittel um Massen unter Kontrolle zu behalten. Macht man ein Regime lächerlich und nimmt die Angst vor ihm, fällt es leichter sich dagegen zu Wehren. Es gibt Mut. Außerdem schließen sich Menschen eher Aktionen an die Spaß machen.

4. Bewegung aufbauen: Von wenigen zu vielen

  • Anfangs kleine Aktionen, um Mitstreiter zu gewinnen. Lokale Aktionen in Clubs, Jugendzentren oder Universitäten. Überall dort wo sich junge, aktive Menschen mit einem Interesse für Politik versammeln.

  • Breites Bündnis aufbauen: Verschiedene Gruppen vereinen. Dabei ist es wichtig die Ziele der Aktion so zu formulieren das sich alle angesprochen fühlen. Zu spezifische Ziele und Forderungen führen zu Spaltung.

  • „Coolness-Faktor“: Widerstand muss attraktiv wirken, besonders für junge Menschen. Eine Demo kann gleichzeitig auch eine große Party sein. Selbst wenn man einige dabei hat die vielleicht mehr zum Feiern da sind, hat man diese trotzdem mit an Bord geholt und auf die Straße gebracht. Die Bewegung braucht ein positives Image. So sollte man nicht nur immer gegen Dinge sein, sondern sich aktiv und positiv für andere Dinge aussprechen und diese fordern.

5. Die richtigen Protestformen wählen

  • Streiks, Boykotte, kreative Störaktionen, Flashmobs, Straßenkunst und virale Kampagnen können Beispiele sein. Demonstrationen sollten ein Mittel sein, aber nicht als einzige Strategie herhalten. Es muss eine gewisse Diversität entstehen, um die Bewegung in alle Bereiche des Lebens der Leute zu tragen.

  • Hier sind einige Beispiele von Aktionen die bei verschiedenen Protesten auf der ganzen Welt stattgefunden haben:

1. Otpor! (Serbien, 2000)

  • Symbol: Erhobene Faust – als Wiedererkennungszeichen der Bewegung.

  • Humor als Waffe:

    • Ein Ölfass mit Miloševićs Gesicht wurde auf die Straße gestellt. Passanten konnten Geld einwerfen und mit einem Stock darauf schlagen. Die Polizei musste das Fass „verhaften“, was das Regime lächerlich machte.

  • Guerilla-Marketing:

    • Sprühen von Otpor-Symbolen an Wänden.

    • Sticker und Flyer mit einprägsamen Slogans.

  • Massendemonstrationen: Koordination landesweiter Proteste.

  • Boykott staatlicher Institutionen: Beamte zum Überlaufen bewegt.


2. Rosenrevolution (Georgien, 2003)

  • Symbol: Rote Rosen – Demonstranten überreichten Soldaten Rosen als Zeichen des friedlichen Protests.

  • Massenmobilisierung:

    • Enorme Menschenmengen versammelten sich vor dem Parlament.

    • Dauerhafte Präsenz auf der Straße bis zum Sturz der Regierung.


3. Orangene Revolution (Ukraine, 2004)

  • Farbe als Symbol: Die Protestbewegung setzte gezielt auf die Farbe Orange als Zeichen für Veränderung.

  • Dauerhafte Präsenz auf dem Maidan-Platz: Campen und Dauerdemonstrationen trotz Kälte.

  • Mobilisierung durch SMS und soziale Medien: Schnelle Verbreitung von Informationen.

  • Kreative Aktionen: Organisierte Konzerte und Theaterstücke während der Proteste.


4. Tulpenrevolution (Kirgistan, 2005)

  • Nutzung von Farbsymbolik: Tulpen als Zeichen des friedlichen Wandels.

  • Besetzung von Regierungsgebäuden: Ohne Gewalt, um Druck auf das Regime auszuüben.


5. Arabischer Frühling (Tunesien, Ägypten, 2011)

  • Soziale Medien als Protestwerkzeug: Facebook und Twitter zur Organisation genutzt.

  • Platzbesetzungen:

    • Tahrir-Platz in Kairo wurde zum Zentrum des Widerstands.

    • Protestcamps als Symbol für Standhaftigkeit.


6. Occupy Wall Street (USA, 2011)

  • Slogan: „We are the 99%“ – einfache, kraftvolle Botschaft.

  • Dauerhafte Besetzung von Plätzen: Zeltdörfer als Protestform.

  • Mikrofoneffekt: Reden wurden von der Menge wiederholt, um Aufmerksamkeit zu erzeugen.


7. Revolution der Regenschirme (Hongkong, 2014)

  • Regenschirme als Symbol: Schutz gegen Tränengas – wurde zum ikonischen Bild des Protests.

  • Sitzblockaden auf Hauptstraßen: Wochenlange friedliche Besetzungen.

  • Verwendung von Laserpointern: Zur Störung von Überwachungskameras und Polizei.


8. Proteste gegen Maduro (Venezuela, 2017)

  • "Poo Protests" („Shit Bombs“) – Demonstranten warfen Exkremente auf Polizeistationen.

  • Frauen in weißen Kleidern marschierten: Symbol für Frieden und Unschuld.


9. Fridays for Future (Weltweit, ab 2018)

  • Schulstreiks für das Klima: Regelmäßige Protesttage.

  • Social-Media-Kampagnen: Greta Thunbergs Hashtag #FridaysForFuture verbreitete sich weltweit.

  • Symbole und visuelle Stärke: Plakate mit einprägsamen Botschaften.



6. Repressionen überstehen

  • Friedlich bleiben, um Eskalation zu vermeiden. Das ist elementar um dem Regime keinen Angriffspunkt und keine Rechtfertigung für eine Eskalation der Gewalt zu liefern. Auch könne sich deutlich mehr Menschen an friedlichen Protesten beteiligen. Es könne im Vorhinein Deeskalationstrainings abgehalten werden in denen man lernt, nicht auf Provokationen einzugehen.

  • Festnahmen und Gewalt vorhersehen und Gegenmaßnahmen planen. Wenn man wirklich einem repressiven System gegenüber steht muss man damit rechnen im laufe der Protestaktionen verhaftet, oder Opfer von Gewalt zu werden. Auch dafür sollte man sich im Vorhinein Pläne zurecht legen um damit umzugehen. Man kann zum Beispiel Notfallnummern von Anwälten bereit halten, Telefonketten organisieren um Angehörige zu informieren oder Schulungen abhalten wie man sich im Falle einer Verhaftung verhält.

  • Öffentlichkeitsarbeit: Dokumentieren und teilen, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Es ist wichtig und nützlich, nicht gerechtfertigte Festnahmen und Übergriffe zu dokumentieren und Medial für sich zu nutzen. So kann man mit dem gezielten Verbreiten von Straftaten durch das Regime weitere Unterstützung von Menschen gewinnen, die dieses Verhalten als ungerecht empfindet.

  • Massenverhaftungen könne inszeniert werden um das System zu überfordern. Soll einer abgeführt werden könne die anderen versuchen sich ebenfalls verhaften zu lassen um das System zu Überlasten.

  • Die Verhafteten als Helden darstellen. Jede verhaftete Person kann ein Symbol für den Widerstand werden. Jedes mal eine Willkommensparty schmeißen, wenn eine verhaftete Person aus dem Gefängnis entlassen wird.

7. Mit den Medien arbeiten

  • Eigene Kanäle nutzen: Soziale Medien, Blogs, Flyer. Gerade Flugblattaktionen sind Preiswert, einfach zu organisieren und durchzuführen. Sollte man Repressionen für das Verteilen von Flugblättern fürchten, kann man diese auch unbemerkt an öffentlichen Plätzen ablegen. Auch Plakat und Graffiti Aktionen können Präsenz zeigen.

  • Einfache, einprägsame Botschaften verbreiten. Je prägnanter ein Slogan ist, desto besser. Auf einfache Sprache achten um alle mit einzubeziehen.

  • Journalisten gezielt ansprechen und Geschichten liefern. Wenn man keine eigene Plattform hat, sollte man sich eine bereits bestehende Plattform suchen und diese nutzen.

8. Das System untergraben

  • Gezielte Schwächung der Unterstützer des Regimes (z. B. Beamte, Unternehmer). Man sollte versuchen Polizisten zu überzeugt das dass was sie da tun, und das dass System welches sie Unterstützen falsch ist. Man sollte versuchen an die Menschlichkeit zu appellieren. Auch sollte man den Geschäftsleuten aufzeigen, das Verbindungen zu Regimen und Diktatoren international gesehen schlecht fürs Geschäft sind.

  • Parallelstrukturen schaffen (z. B. alternative Medien oder Bildungsangebote). Um beispielsweise falsche Berichtserstattung im Staatsfernsehen entgegen zu wirken, kann man die Gegendarstellung auf die sozialen Netzwerke verlagern.

  • Den Machthabern Alternativen aufzeigen, um Überläufer zu gewinnen. Im besten Fall erreicht man das für das System wichtige Berufe und Persönlichkeiten nicht mehr mit dem System kooperieren.

9. Vom Protest zum Wandel

  • Ein Umsturz ist nur der erste Schritt – nachhaltige Veränderung braucht Zeit. Ein derartig tiefgreifender Prozess braucht Zeit, man sollte sich darauf einstellen unter Umständen viele Jahre gegen die Unterdrückung zu arbeiten.

  • Neue Strukturen aufbauen, um Chaos nach dem Umbruch zu verhindern. Ganz unter dem Motto:“Vorher an Nachher denken.“ Man muss sich vorher überlegen wer nach dem Umsturz die Übergangsregierung stellen soll. Man sollte sich im Vorhinein Gedanken darüber machen wie man die folgenden demokratischen Wahlen gestalten will, wie und wer eine Verfassung formulieren sollte und auf welche Grundwerte man sich berufen möchte. Dabei sollte man den Prozess so gestalten das man möglichst viele Menschen mit einbindet um die Bildung einer neuen Autokratie im entstandenen Machtvakuum zu verhindern. Mann sollte entsprechende Führungspersönlichkeiten vorher auswählen und entsprechend vorbereiten und schulen.

  • Demokratie langfristig stärken durch Bildung und Partizipation. Um im darauffolgenden demokratischen System zu sichern das es nicht wieder zu einer Autokratie kommt, muss politische Teilhabe garantiert werden. Jeder Mensch im Land muss teilnehmen können am politischen Geschehen und es muss auch auf alle Bedürfnisse eingegangen werden. In den Bildungseinrichtungen müssen politische Teilhabe und ein Verständnis sowohl für das System als auch für die globalisierte Weltgesellschaft geschaffen werden.

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